Velká Lhota bei Dačice - Grosslhota

Velká Lhota bei Dačice - Grosslhota

Das Dorf Velká Lhota finden Sie – im Gegensatz zu Velká (Hrubá) Lhota, das sich in der Walachei befindet – im Osten des Bezirks Südböhmen. Es liegt in einer sanften Hügellandschaft auf einer Höhe von 603 Metern und gehört mit seinen rund 185 Einwohnern zur Gemeinde Volfířov.

Dačice ist circa 10 km entfernt und auch nach Telč ist es nicht weit. Diese beiden Städte haben eine interessante Geschichte und zahlreiche historische Bauten. Was also führt uns ausgerechnet in den winzigen Ort Velká Lhota?

Auch dieser Ort hat eine interessante Geschichte und ein ganz besonderes Ensemble historischer Bauwerke zu bieten. Das wird bereits deutlich, wenn man von der nächsten Anhöhe auf das Dorf blickt: Die Straße führt wieder bergab und verliert sich auf dem gegenüberliegenden Hügel zwischen zwei Kirchen. Es gibt zwei Türme, zwei Kirchen und auch zwei Pfarrhäuser – schon von Weitem ein unvergesslicher Anblick.

Beide Kirchen sind evangelisch. Die ältere stammt von 1783, also aus der Zeit, in der Joseph II. das Toleranzpatent erließ. Durch das Patent wurde den evangelischen Christen, die sich bis dahin nur heimlich treffen konnten, Duldung gewährt. Da der Bevölkerung das Toleranzpatent und damit auch die Information, dass man sich nur zur lutherischen oder reformierten Kirche bekennen konnte (und nicht zu den eigenen Wurzeln in der böhmischen Reformation), nicht auf dem Amtsweg verkündet wurde, registrierte man die evangelischen Christen aus Velká Lhota zunächst alle als Lutheraner. Als dann die Nachricht von der Möglichkeit, sich zur reformierten Kirche zu bekennen (die den evangelischen Tschechen näher lag) schließlich auch hierher gelangte, entstand in Velká Lhota 1787 neben den verbliebenen Lutheranern auch eine reformierte Gemeinde.

Beide Gemeinden nutzten danach gemeinsam das lutherische Bethaus, das ursprünglich nach den restriktiven Vorschriften der Toleranzzeit erbaut worden war. Die Situation änderte sich 1861 mit dem Erlass des sogenannten Protestantenpatents, das die anderen zugelassenen Kirchen formell der römisch-katholischen Kirche gleichstellte, so dass nun allen gestattet war, Kirchen mit Turm und Glocken zu errichten. Die reformierten Christen begannen 1868, sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine eigene Kirche zu bauen, die aufgrund ihrer Lage „obere Kirche“ genannt wird. Sie wurde im historisierenden Stil errichtet und mit Elementen der Neoromanik und Neorenaissance versehen, sie erhielt eine neobarocke Kanzel an der Stirnseite und einen viereckigen Turm. Diese Kirche wurde am 21. Oktober 1873 geweiht. An das lutherische Bethaus wurde 1876 ein Turm angebaut und der Kirche wurde durch den Umbau ein neugotischer Charakter verliehen. Im selben Stil präsentiert sie sich auch im Inneren (Altar, Kanzel). Die beiden Pfarrhäuser wurden in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts im neoklassizistischen Stil umgebaut.

1918 schlossen sich die tschechischen reformierten und lutherischen Gemeinden in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) zusammen und die Kirchengemeinde in Velká Lhota hatte plötzlich eine Besonderheit vorzuweisen: in einem einzigen Ort zwei Kirchen und zwei Pfarrhäuser, noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft und durch ihren Grundriss aufeinander bezogen.

Heute ist das sogenannte Evangelische Toleranzareal denkmalgeschützt; unter besonderem Schutz steht die Orgel von 1873. Durch das Gelände führt ein Lehrpfad und es ist hier die Ausstellung „Die böhmische Reformation im europäischen Kontext“ zu sehen, die im Mai 2001 anlässlich des 11. Europaweiten Kolloquiums protestantischer Museen offiziell eröffnet wurde. Das Gastgeberland Tschechien repräsentierten dabei die Tagungsorte Telč und Velká Lhota.

Der Lehrpfad trifft hier mit dem „Weg der waldensischen und böhmischen Reformation“ zusammen, einem Wanderweg, dessen Mittelteil in der Umgebung von Velká Lhota bereits markiert und mit Informationstafeln versehen wurde.