Libiš (165 m ü. NN, knapp 2000 Einwohner) ist seit 1990 eine eigenständige Gemeinde, gehörte aber in der Vergangenheit zu Neratovice. Die Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) trägt von daher noch immer den Namen Neratovice-Libiš.
Im Norden von Prag, an der Stelle, wo jahrhundertelang die sogenannte Stephansfähre die Elbe überquerte, entstand an einem wichtigen Handelsweg, der von Prag über Mělník nach Zittau führte, ein kleines Bauerndorf, das bereits 1323 erstmals erwähnt wurde. Im Inneren der einschiffigen gotischen St. Ja-kobuskirche vom Ende des 14. Jahrhunderts sind wertvolle Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert erhalten. An die Stelle der historischen Fähre trat 1912 eine Elbbrücke.
Die größte Blüte erlebte Libiš in der Zeit der Ersten Republik. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde ein Teil des Ortes bei einem Luftangriff der Alliierten zerstört. Eine berühmte Persönlichkeit, die aus Libiš stammt, ist der Historiker V. V. Štech.
Wie in vielen anderen an der Elbe gelegenen Orten konnten sich auch in Libiš die Kryptoprotestanten über die gesamte Zeit der Gegenreformation halten. Nach dem Erlass des Toleranzpatents durch Kaiser Joseph II. 1781 wählten sie zunächst die lutherische Konfession. Später entschieden sie sich jedoch für die reformierte Kirche, denn das Luthertum schien ihnen dem Katholizismus zu ähnlich zu sein. Sie mussten deshalb von der Obrigkeit viele Demütigungen erdulden. Der erste Gottesdienst der neu gegründeten Gemeinde fand am 20. Juli 1783 in einer Scheune statt. Damals predigte in Libiš erstmals der ungarische Pfarrer Jan Végh, einer der bedeutendsten Toleranzprediger. Als die Obrigkeit den Bau eines Bethauses in Libiš lange Zeit nicht gestatten wollte, erwirkte Jan Végh eine persönliche Audienz bei Kaiser Joseph II., der die Genehmigung für den Bau erteilte. Das Bethaus im bäuerlichen Barockstil wurde am 30. November 1792 geweiht. Es handelt sich um einen Bau, der in seiner Schlichtheit sehr beeindruckend ist und der auch die spätere Versuchung, einen Turm zu errichten und die Kirche umzubauen oder gar abzureißen, überdauerte. So blieb das Bethaus erhalten und mit ihr die wertvolle Originalausstattung einschließlich des mit Schnitzereien verzierten Gestühls und der farbigen Ausmalung. Nur die Orgel von 1958 stammt aus jüngerer Zeit.
Mitglied der Libišer Gemeinde war auch Jan Palach. Eine kleine Gedenktafel an einer der Bänke erinnert an den Platz, auf dem er noch wenige Tage vor seinem Tod gesessen hat. Die Trauerfeier hielt damals der Libišer Pfarrer Dr. Jakub Trojan.
Das Pfarrhaus von 1888 wurde in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts umgebaut. Der neu gebaute Gemeindesaal und andere Räume werden für die Gemeindearbeit genutzt.