Mladá Boleslav (235 ü. NN, mehr als 46 000 Einwohner) liegt etwa 50 Kilometer nordöstlich von Prag am Zusammenfluss von Jizera und Klenice. Es hat eine schöne Umgebung: Das Naturschutzgebiet „Český ráj“ (Böhmisches Paradies) liegt fast vor der Haustür, aber auch die Region Kokořínsko und der Mácha-See sind nicht weit entfernt. Heute ist Mladá Boleslav vor allem für seine Autoindustrie bekannt. Die Stadt hat aber auch eine interessante Geschichte und es gibt viele historische Bauwerke, unter denen wohl alle bekannten Baustile vertreten sind.
Über dem Meander der Jizera wurde in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts von Fürst Boleslav II. eine Burganlage gegründet, die Mitte des 13. Jahrhunderts zur Königsburg ausgebaut wurde. Später erhielten die Herren von Michelsberg die Burg. Aus der Vorburg entstand 1334 eine Untertanenstadt, die sich später den Hussiten anschloss. 1528 kam zur ursprünglichen Altstadt noch die sogenannte Neustadt hinzu. Im 16. Jahrhundert spielte hier die Brü-der-unität eine wichtige Rolle, die vom Adelsgeschlecht Kraiger von Kraigk unterstützt wurde. Es gab hier einen Bischofssitz, Schulen sowie eine Druckerei, und so wurde die Stadt zu einem Zentrum der Bildung. Rudolf II. erhob Mladá Boleslav zur Königsstadt. Die erfolgreiche Entwicklung der Stadt wurde, wie an vielen anderen Orten auch, durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen und Brände taten ein Übriges.
Das 19. Jahrhundert brachte der Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung. Ein großes Verdienst daran hatten Václav Laurin und Václav Klement, die 1895 mit der Herstellung von Fahrrädern begannen. Als sie 1905 das erste Auto herstellten, war das Fundament für die Entwicklung des Boleslaver Automobilwerks gelegt. Durch die Autos der Marke Škoda wurden die Tschechen in der ganzen Welt berühmt. Seit 1991 gehört die Firma zum Volkswagen-Konzern.
Richten wir unsere Aufmerksamkeit noch auf einige wichtige Sehenswürdigkeiten: Die Boleslaver Burg wurde mehrmals umgebaut. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie zerstört und unter Joseph II. begann man, sie als Kaserne zu nutzen (bis 1938). Heute haben hier ein Museum und das Archiv ihren Sitz. Das spätgotische Stadtpalais „Templ“ vom Ende des 15. Jahrhunderts ist ein hervorragendes Beispiel für den unter Vladislav II. geprägten spätgotischen Baustil. Das Palais dient bis heute als Ausstellungssaal. Eine Besonderheit ist das Renaissancerathaus mit Sgraffiti und zwei Türmen, ein Werk des italienischen Baumeisters M. Borgorelli. Dieser erbaute auch das Gebäude der Brüdergemeine, das aus den Jahren 1544-1554 stammt – ein dreischiffiger Renaissancebau mit kostbaren Fresken. Das imposante Gebäude unterstreicht noch einmal die Bedeutung der Brüder-unität in jener Zeit. Es ist die älteste Pseudobasilika der Renaissancezeit außerhalb Italiens. Allerdings wurde die Kirche schon 1623 rekatholisiert. Später nutzte man sie als Lagerraum. Im 20. Jahrhundert befand sich hier das Kreismuseum und heute dient der Bau als Galerie, Ausstellungs- und Konzertsaal. Unlängst wurde bei Ausgrabungen ein wertvolles Archiv der Brüderunität entdeckt.
Die römisch-katholische Kirche Mariä Himmelfahrt vom Anfang des 15. Jahrhunderts wurde später barock umgebaut. Das Stadttheater, das 1906–1909 errichtet wurde, ist ein Beispiel für einen reinen Jugendstil. An seinem Bau waren Architekten aus Wien und Böhmen sowie der Bildhauer Jan Štursa beteiligt. In der Stadt war 1923–1927 auch der berühmte Architekt Jiří Kroha tätig, ein Vertreter des tschechischen Konstruktivismus. Auch der jüdische Friedhof, auf dem sich der Grabstein Jacob Bassevis, des Finanziers Alberechts von Waldstein, befindet, ist einen Besuch wert.
In Mladá Boleslav gibt es neben der römisch-katholischen Gemeinde auch Gemeinden der Brüderkirche, der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche und der Brüderunität. Die evangelischen Christen in Mladá Boleslav gehörten ab 1897 zur reformierten Gemeinde in Mělnické Vtelno. Die Gemeinde der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) entstand 1920 und erwarb drei Jahre später ein Haus in der Hus-Straße, in dessen Erdgeschoss ein Gottesdienstraum und Gemeinderäume eingerichtet wurden. Darüber hinaus durften die evangelischen Christen auch bei der Brüdergemeine Gottesdienste abhalten.
1993 erhielten die Boleslaver endlich eine Kirche. Die Stadt überließ ihnen kostenlos die spätgotische Friedhofskirche St. Gallus, die später barockisiert worden war und 1735 einen Turm erhalten hatte. Auf dem alten Friedhof, der die Galluskirche früher umgab, befinden sich wertvolle Grabsteine. Auch im Inneren der Kirche sind Grabsteine aus der Renaissance- und Barockzeit zu finden, darunter auch der Grabstein des Bischofs der Brüderunität Jan Augusta. In den Sommermonaten finden in dieser Kirche die Gottesdienste statt.