Liberec - Reichenberg

Liberec - Reichenberg

Die Gemeinde der Brüderkirche (ursprünglich Böhmische Brüderunität) in Liberec entstand 1945 im Zusammenhang mit der Neuordnung der Tschechoslowakei durch die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus dem Grenzgebiet. Auf Anregung der Landesbehörde in Prag kamen im Rahmen der Besiedlung des Grenzgebietes auch drei Familien aus Písek nach Liberec. Aus dieser kleinen Schar entwickelte sich die heutige Gemeinde mit 263 Mitgliedern (einschließlich Filialgemeinden). Die Gemeinde hat Filialen in Jilemnic, Nové Město pod Smrkem und Jablonec nad Nisou. Die Filialgemeinde in Nové Město pod Smrkem entstand durch die Rückkehr von Exilanten aus dem polnischen Zelow im Jahr 1945, wohin evangelische Tschechen in der Zeit nach der Schlacht am Weißen Berg gegangen waren. Im kleineren Umfang entwickelt sich die geistliche Arbeit allmählich auch in Chrastava, Frýdlant, Smržovka und Semily.

Die Gemeinde wuchs und so bemühte sie sich in den siebziger und achtziger Jahren um den Bau eines neuen Betsaals mit den entsprechenden Gemeinderäumen. Aber in der Zeit des Sozialismus (abgesehen von einer kurzen Phase nach 1968) war es verboten, freistehende Sakralbauten neu zu errichten, und es wäre erst recht nicht möglich gewesen, dies an markanten Punkten in den Städten zu tun. Die Gemeinde der Brüderkirche in Liberec kaufte nach vielen vergeblichen Versuchen Mitte 1989 eine Villa mit der Möglichkeit, eine Kapelle und Gemeinderäume anzubauen. Diese Villa, die 1980 einen Anbau erhielt, war das erste Objekt der Bebauung des Viertels „Keilův vrch“ mit villenähnlichen Häusern. Sie wurde im Stil der späten Neorenaissance erbaut und befindet sich auf einem abschüssigen Gelände. Das Haus hat drei Stockwerke, eine Dachterrasse und einen Turm.

Autor des architektonischen Entwurfs ist der Architekt Pavel Vaněček. Der Charakter des ursprünglichen Objekts mit einem markanten Turm war Inspiration für die Gestaltung des Anbaus der Kapelle und der anderen Räumlichkeiten. Das Prinzip des Turms mit einer Grundfläche von 4 x 4 Metern wurde zur Grundlage für die räumliche Komposition des gesamten Komplexes. Es handelt sich um einen „Dialog dreier Türme“. Durch ein niedriges Türmchen gelangt man in die Eingangshalle, unter dem mittleren Turm befinden sich der Altar, der Ambon und das Kreuz, wobei mit dem Symbol des Lichts gearbeitet wird, und im dritten, dem ursprünglichen Turm befindet sich ein Meditationsraum, der vielseitig nutzbar ist.

Die eigentliche Kapelle ist von der Raumaufteilung und der Innengestaltung her so angelegt, dass sie von der räumlichen Gestaltung des Gesamtobjekts ausgeht. Eine dominierende Rolle spielt dabei die Diagonale. Der zentrale Raum mit dem Altar, dem Ambon (der Kanzel) und dem Kreuz befindet sich unter dem Turm, von dem aus er direkt beleuchtet wird. Dieser Teil des Raums ist treppenförmig gestaltet und dient bei den Gottesdiensten auch dem Chor und anderen Musikgruppen.

Durch den niedrigen Turm (den Windfang) gelangt man in die Eingangshalle mit einer Garderobe, Sanitäranlagen und einem rollstuhlgerechten Zugang zur Hauptkapelle. Der Raum der Kapelle kann um einen kleinen Saal erweitert werden, der durch eine Schiebewand abgeteilt ist. Von der Eingangshalle aus gelangt man über mehrere Stufen auf das Niveau des Gemeinderaums und des kleinen Saals. Der rollstuhlgerechte Zugang zum Gemeinderaum und den anderen höher gelegenen Räumen ist auch über eine Außenrampe am Objekt möglich. An den Gemeinderaum, der vielseitig nutzbar ist (Raum für Mütter mit Kindern, mit einem großen, durchgängigen Fenster zur Kapelle) schließen sich die Küche, der Kindergottesdienstraum, das Archiv und die Bibliothek an. Die Verbindung des neuen Gemeindezentrums mit dem ursprünglichen Objekt wird über einen Gang ermöglicht, der die Treppenabsätze beider Treppenhäuser miteinander verbindet.

Eine klassische Orgel ist aus Kostengründen erst für die Zukunft geplant. Die elektronische Orgel wird aber im Modus „Kirchenklang“ gespielt. Beim Chorgesang genügt die natürliche Akustik, beim gesprochenen Wort wird eine Lautsprecheranlage genutzt – wegen der besseren Verständlichkeit und insbesondere wegen der drahtlosen Schwerhörigenanlage.

Der Altar ist ein Werk des Bildhauers Jiří Seifert. Er besteht aus massiver Eiche mit einer natürlichen, matten Oberfläche. Der Ambon (das Lesepult) und das Kreuz bestehen ebenfalls aus massivem Eichenholz, das seiner Struktur entsprechend bearbeitet wurde, beim Ambon in Kombination mit einer glatten Oberfläche. Die Bänke sind eingebaut, ihre Seitenteile bestehen aus italienischem Terrazzo, Sitzflächen und Lehnen sind gepolstert. Die elektronische Orgel, die sich in der Diagonale gegenüber dem Altar befindet, schmückt eine Tapisserie mit dem frühchristlichen Motiv der beiden Fische und fünf Brote, die von der Künstlerin Zdena Šafka geschaffen wurde.

Das Orientierungsdesign entwickelte die Künstlerin Jaroslava Antošová in Zusammenarbeit mit dem Architekten Pavel Vaněček. Am kleinen Eingangsturm befinden sich an zwei Frontseiten Inschriften mit christlichen Symbolen an den oberen Ecken der Türsäulen: das Symbol der Reformation, der Kelch, das Symbol der Brüderkirche, das Kryptogramm, Α, Ω und die Gesetzestafeln. Über dem Eingang zum Saal sind die Symbole der Sakramente – der Taufe und des Abendmahls – zu sehen.